Heimatgespräche | 06 | Tag der Erfinder

Aufnahmeskript

SCHOPOWSKI
Guten Morgen im Land der Dichter, Denker und – Erfinder. Wussten Sie, dass in kaum einem Land mehr Patente angemeldet werden als bei uns? Vielleicht haben auch Sie eine Idee, die unseren Alltag verbessert, wissen aber nicht wie Sie sie umsetzen oder vermarkten können? Dann rufen Sie uns an. Zum heutigen “Tag der Erfinder” habe ich mir einen besonderen Gast eingeladen: Herrn Dr. Semmering vom Patentamt. Herr Semmering wird sich Ihre Ideen anhören und Sie live in der Sendung beraten.
Herzlich Willkommen Herr Dr. Semmering.

DR. SEMMERING
Guten Tag. Mein Name ist Dr. Alfons Semmering. Ich arbeite im Patentamt als mathematisch-technischer Berater im Bereich Patente und Gebrauchsmuster.

SCHOPOWSKI
Sie sitzen sozusagen an der Quelle von Innovation und Fortschritt. Das muss aufregend sein.

! Schweigen

SCHOPOWSKI ctd.
Ich meine Menschen hautnah zu erleben, wenn sie etwas Neuem auf der Spur sind, der Entdeckung von einem neuen … Brösel … Atom, oder wie diese Elektroden flitzen, zack, Sie wissen schon, und schwarze Löcher.

DR. SEMMERING
Ich rechne nach, ob das stimmt. Das meiste stimmt nicht. Gestern hat jemand eine Lösung für die spiralierende Partikularteilung im Gammaspektrum hochmotiver Teilchenkollision eingereicht. Als ob man die Vernikul-Gleichung nach Einstein auflösen könnte. Das kann man aber nicht. Hehe.

SCHOPOWSKI
Ah, so so.

DR. SEMMERING
Es gilt immer noch: Eins minus Omega entspricht eins durch a Punkt Quadrat. Dadurch ist auch klar, dass die magnetischen Monopole extre m verdünnt werden. Denken Sie immer an die Lichtgeschwindigkeit und das Plancksche Wirkungsquantum.

SCHOPOWSKI
Klar, klar. Aber gibt’s nicht auch sehr einfache und geniale Ideen?

DR. SEMMERING
Letzte Woche hat jemand einen Zehen-Fön eingereicht. Ich muss sagen, durchaus praktisch. Man steckt seine Füße in eine Holzkiste und durch ein Loch fönt man da hinein. Ich habe eine Empfehlung zur Patentierung ausgeschrieben.

SCHOPOWSKI
Großartig. Ich bin sicher, dass auch die E rfinder in unserem Sendegebiet so tolle Ideen haben. Wir kennen als Beispiel Paul Herlikoffer aus Walmendingen mit dem Strategiespiel “Reichspogromnacht”. Ah, da ist auch schon der erste Anrufer.

HERING
Hallo! Hier ist Hering, Rainer Hering.

SCHOPOWSKI
Hallo Herr Hering, schön, dass Sie bei uns sind. Stellen Sie doch Ihre Idee vor.

HERING
Ich will vorausschicken, dass ich kein Unbekannter bin. Ich habe meiner Heimatstadt Urgl ein überlebensgroßes Denkmal von mir gespendet. Die Statue ist sehr gut getroffen. Ich wollte sie am Rathausplatz aufzustellen lassen. Leider haben sich die Bürger dagegen gewehrt.

SCHOPOWSKI
Das ist ja schön, aber …

HERING
Jetzt steht sie am Klärwerk draußen.

SCHOPOWSKI
Bitte kommen Sie doch zu Ihrer Idee.

HERING
Gut, also. Wenn Sie sich heute umbringen wollen, dann ist das nicht so leicht, richtig?

SCHOPOWSKI
Ich weiß nicht, worauf wollen Sie denn hinaus?

HERING
Entweder kommen Sie an das Zeug, das sie sicher umbringt, nicht ran, oder Sie hinterlassen eine Riesensauerei.

DR. SEMMERING
Meine Frau hat sich erschossen. Ihr Gehirn ist über den Frühstückstisch geflogen.

SCHOPOWSKI
Oh Gott.

HERING
Eine Waffe muss man erstmal haben.

DR. SEMMERING
Ich habe zur Sicherheit immer eine im Nachttisch. Erfinder, denen man die Patentierung ablehnt, können wahnsinnig aggressiv werden.

HERING
Ihre Frau hätte es mit Schlaftabletten versuchen können. Aber so viel kann sie davon gar nicht fressen, dass das sicher wirkt. Am Ende hat sie nur eine Magenvergiftung und ist immer noch da.

DR. SEMMERING
Wirklich schnell wirkende Gifte finden Sie auch nicht in der Apotheke. Eigentlich schade.

HERING
Und wenn Sie sich aufsäbeln oder auf die Gleise werfen, dann müssen Andere das Massaker zusammenwischen. So will doch ein Abgänger nicht in Erinnerung bleiben.

SCHOPOWSKI
Mir tut das so leid wegen Ihrer Frau, Dr. Semmering.

DR. SEMMERING
Bei einem Sprung von weit oben, von einem Haus oder einer Brücke, dissoziiert sich der Körper beim Aufprall in ein weites Streubild aus Blut, Gewebe und Knochen.

HERING
Und wenn das an einer Rauputzfassade hängen bleibt, kriegt man es auch kaum wieder ab. Ich meine, wenn Sie das für eine Urne brauchen, oder so.

DR. SEMMERING
Ich habe Natriumhydrophilcarboxid verwendet, um das Gehirn meiner Frau von der Wand zu bekommen. Das löst sehr gut die Fettbestandteile des Gewebes.

SCHOPOWSKI
Herr Hering, was haben Sie denn jetzt erfunden?

HERING
Ganz einfach: Den Selbstmord durch nachhaltiges Upcycling. Sie brauchen dafür nur einen alten Videorekorder.

DR. SEMMERING
Wenn Sie sich einen elektrischen Schlag versetzen wollen, das können Sie einfacher haben. Aber es wird Sie wahrscheinlich nicht umbringen. Es sei denn …

HERING
Ganz anders. Sie ziehen das Band aus einer alten Videokassette und legen es sich um den Hals. Dann schieben Sie die Kassette in den Rekorder und drücken auf Play. In kurzer Zeit werden Sie gleichmäßig und sanft erdrosselt.

DR. SEMMERING
Sie brauchen dazu aber einen starken Bandtransport.

SCHOPOWSKI
Ich kann mir nicht vorstellen, dass das funktioniert.

HERING
Es funktioniert gut mit Katzen. Ich führe es mal vor. Mitzi, komm her. Mitzi, zs zs zs, komm zu Papa.

SCHOPOWSKI
Das wollen Sie nicht wirklich machen, oder?

HERING
So, ich führe das Band um den Hals, sei brav Mitzi, und drücke die Play-Taste.

!Über die nächsten Dialoge knirscht und schleift das Band, die Katze miaut erbärmlich.

SCHOPOWSKI
Ich bitte Sie, lassen Sie das doch.

DR. SEMMERING
Dass es bei einer Katze funktioniert, heißt nicht unbedingt, dass es bei einem Menschen auch klappen muss. Andererseits sind Katzen sehr zäh. Eine gewisse Vergleichbarkeit ist gegeben.

SCHOPOWSKI
Stellen Sie das ab! Herr Hering! Stellen Sie doch ab!

HERING
Gleich, es dauert nicht lang.

DR. SEMMERING
Bei hochwertigen Rekordern wird der sogenannte Dual-Capstan-Antrieb eingesetzt. Ich kenne übrigens das Patent dafür. Dieser Antrieb ist wesentlich kräftiger und hält die Spannung des Bandes von zwei Seiten.

HERING
Gleich ist es so weit.

SCHOPOWSKI
So etwas können wir unseren Hörern unmöglich zumuten!

HERING
Mit der Fast Forward Taste könnten wir es beschleunigen. Das entspricht aber dann eher einer Guillotine.

DR. SEMMERING
Ich empfehle Ihnen den Einbau eines Fensterheber-Motors mit Stirnradgetriebe. Dann kommen wir einem Patent schon näher.

! Die Katze hört auf zu miauen.

HERING
Und schon ist sie dahin.

SCHOPOWSKI
Gott sei Dank hat das Gekreisch aufgehört.

DR. SEMMERING
Eine Minute fünfzehn. Für eine Katze ist das ordentlich.

SCHOPOWSKI
Wir wollen jetzt auch noch anderen Erfindern die Möglichkeit geben ihre Ideen vorzustellen.

DR. SEMMERING
Ich rechne Ihnen gerne mal die Kräfte durch, die bei der Erdrosselung auf das Band wirken.

SCHOPOWSKI
Haben Sie vielen Dank, Herr Hering, und alles Gute für Sie.

DR. SEMMERING
Es wird auch darauf ankommen eine Bezeichnung für das Gerät zu finden. Im Bereich der intentionalen Tötung ist markenrechtlich schon sehr vieles geschützt, besonders beim Erwürgen und Erdrosseln.

SCHOPOWSKI
Meine Kehle ist wie ausgetrocknet. Geben Sie mir bitte mal das Wasser rüber.

! Pause

SCHOPOWSKI
Da haben wir schon den nächsten Erfinder in der Leitung.

PAUL
Hallo?

DR. SEMMERING
Ist das ein Kind?

SCHOPOWSKI
Hallo. Wer spricht denn da?

PAUL
Ich.

SCHOPOWSKI
Und wer bist du?

PAUL
Paul. Ich bin schon sechs, weißt du, und Lotta und ich, wir haben was voll Cooles rausgefunden. Nämlich soll ich’s dir mal erzählen?

SCHOPOWSKI
Ich bin ganz Ohr.

DR. SEMMERING
Ein Kind hat unmöglich die intellektuellen Voraussetzungen, die es braucht …

SCHOPOWSKI
Erzähl ruhig, Paul.

PAUL
Also weißt du, wir ham rausgefunden wie man ein Kleber macht.

SCHOPOWSKI
Das ist toll, Paul.

DR. SEMMERING
Die Klebstoffentwicklung findet heute hauptsächlich in der Raumfahrt statt. Da braucht es Formeln, die unter extremen Bedingungen funktionieren.

PAUL
Was?

SCHOPOWSKI
Erzähl nur weiter.

PAUL
Ja, gut, also wir haben voll viele Tiere gesammelt, in Garten, und ich hab sie totgemacht und wir ham sie in den Eimer und mal ist die Lotta in den Eimer, mal ich, und wir haben so gestampft mit den Schuhen, bis es ein mega Brei war. Und ich hab nur bisschen Wasser dazu rein, weil ich darf nicht mit dem Schlauch spielen.

SCHOPOWSKI
Huh, Kinder, hehe.
Aber Paul, du weißt schon, dass man den Tieren nicht wehtun darf, das weißt du doch? Was für Tiere waren denn das?

PAUL
Ach, so von allem was, ich glaub Spinnen, Käfer, Lotta hat Regenwürmer gesammelt, und ich hab ganz viel Frösche geholt, die gibts im Teich, man kann die ganz leicht mit eim Kescher fangen.

DR. SEMMERING
Klebstoffe auf Naturbasis sind allerdings im Kommen. Mir ist aber neu, dass man sie aus Fröschen gewinnt.

SCHOPOWSKI
Ihr habt die Frösche zerstampft? Du, Paul … Wissen Mama und Papa von dem Eimer?

PAUL
Ne, die sind nicht da, es is nur der Leon da, des is mein ältara Bruder. Er hat gesagt ich solls dir erzähln. Wie heißt du?

SCHOPOWSKI
Ich bin der Hardy. Aber sag mal …

PAUL
Im Eimer ham wir jetzt ein super ninjago Kleber, und den schieß ich auf die Gegner, und dann kleben ihnen die Hände zusamm und dann können die nich mehr kämpfen.

DR. SEMMERING
Auch zum Einsatz von Klebstoffen im militärischen Komplex kann ich Ihnen sagen …

SCHOPOWSKI
Danke für den Anruf, Paul, mach es ganz gut, ja. Tschüss!

DR. SEMMERING
Was haben Sie?

SCHOPOWSKI
Mir ist schlecht. Moment …

! Musikalischer Einspieler

SCHOPOWSKI
Liebe Zuhörer, ich bitte um Verzeihung für die Unterbrechung. Wir sind wieder zurück und machen weiter mit einer interessanten Meldung: Die Zeitschrift “Eltern” hat das akku-betriebene Tätschelgerät für Säuglinge und Kleinkinder zur Erfindung des Jahres gekürt.

DR. SEMMERING
Ich kenne das Gerät. Es ist heute nur noch dreistufig. Anfangs gab es vier Stufen, aber nachdem ein Kind damit zu Tode getätschelt worden ist …

SCHOPOWSKI
Die Zeit rast, lieber Herr Dr. Semmering. Lassen Sie uns rasch noch einen Anrufer reinnehmen. Hallo?

HERING
Hallo. Bübel hier. Günter Bübel.

SCHOPOWSKI
Das sind doch schon wieder Sie, Herr Hering?

HERING
Nein, das verwechseln Sie.

SCHOPOWSKI
Entschuldigen Sie, aber Sie hören sich genauso an wie jemand, mit dem wir gerade gesprochen haben.

HERING
Aber jetzt bin ich jemand ganz anderes.

SCHOPOWSKI
Wie auch immer. Was wollen Sie uns denn für eine Idee erzählen?

HERING
Ich erfinde hauptsächlich Lebenshilfen für Menschen mit Behinderung.

SCHOPOWSKI
Was sagen Sie dazu, Herr Semmering? Ich finde es immer toll, wenn so ein Behinderter … Mensch … jetzt wieder etwas machen kann, was vorher nicht ging. Zum Beispiel, wenn er kein Bein mehr hatte, und jetzt hat er wieder eins … aus Plastik. Und er kann es sogar abschrauben, wenn es ihn stört. Ich würde mir manchmal wünschen ich könnte mein Bein abschrauben.

DR. SEMMERING
Ja? Wann denn?

SCHOPOWSKI
Na, so, ich meine … ach, wenn Sie zum Beispiel in die Badewanne gehen. Entweder streckt man die Beine aus und der Oberkörper wird kalt, oder sie tauchen ein und die Knie stehn raus. Wenn sie nicht gerade ein Zwerg sind, ist nie genug Platz.

DR. SEMMERING
Als Behinderter haben Sie so viele Vorteile im Leben.

HERING
Es kommt drauf an das richtige Instrument für die richtige Behinderung zu haben. Zum Beispiel, wie machen Sie einem Gehörlosen klar, dass er auf dem Fahrradweg aus dem Weg gehen soll? Ihre Klingel kann er ja nicht hören.

DR. SEMMERING
Sprechen Sie weiter.

HERING
Da kommt mein Tauben-Schreck ins Spiel. Er funktioniert mit einem elektrischen Impuls.

DR. SEMMERING
Selbstverständlich. Die Frage ist: Wie überwinden Sie die Distanz. Sie brauchen eine kontrollierte Funkenentladung auf mindestens zwanzig Metern Länge, würde ich schätzen.

HERING
Richtig, richtig. Meine Idee ist eine extrem eng gewickelte magnetische Spule. So kann ich hohe Feldstärken erzeugen. Wenn ich den roten Knopf drücke, sendet der Schreck einen elektrischen Blitz zu dem Gehörlosen, der ihm sagt: Geh weg. Normalerweise springt er gleich mehrere Meter zur Seite.

SCHOPOWSKI
Ist das nicht gefährlich für den Gehörlosen?

HERING
Na ja, einen Herzfehler sollte er nicht haben.

DR. SEMMERING
Statistisch gesehen wird es nicht viele Gehörlose geben, die auch noch einen Herzschrittmacher haben.

HERING
Es ist nur zu ihrem Schutz. Sie geben dem Tauben zu verstehen: Achtung, verschwinde, sonst passiert ein Unglück.

SCHOPOWSKI
Ich weiß nicht. Welches Unglück kann ihn denn noch härter treffen.

HERING
Na, sonst fahr ich ihn zusammen.

SCHOPOWSKI
Und was, wenn er unkontrolliert in die falsche Richtung springt? Zum Beispiel auf die Straße?

HERING
Das ist ein noch ungelöstes Problem.

DR. SEMMERING
Bei sowas stellt man erstmal einen Patentantrag. Die Probleme lassen sich dann schon lösen.

HERING
Immerhin müssen Sie den Tauben jetzt nicht rammen. Wenn er dabei unbedingt vom Regen in die Traufe springen muss, was will man da machen? Aber jetzt zeig ich’s ihnen mal. Bella! Ts, ts, ts ts, komm mal her. Braves Tier.

SCHOPOWSKI
Ich glaube Sie sind doch derselbe wie vorhin, Herr Hering.

! Ein Knall.

SCHOPOWSKI
Ich glaub es hakt.

HERING
Ich hatte es doch zu stark eingestellt. Ich versteh das nicht, die Anzeige ist doch …

! Noch ein Knall.

DR. SEMMERING
Ho, wenn das nicht mindestens hunderttausend Volt waren, will ich nicht mehr Semmering heißen.

SCHOPOWSKI
Ich hab jetzt wirklich genug von diesem Irrsinn!

DR. SEMMERING
Ich rate Ihnen zu mehr Sachlichkeit, Herr Schopowski. Sie nehmen sich das arg zu Herzen.

SCHOPOWSKI
Seit zwanzig Minuten wird hier in meiner Sendung ein Tier nach dem anderen umgebracht.

DR. SEMMERING
Das ist völlig normal. Ohne den Tierversuch würden wir heute noch in der Steinzeit leben. Ein Schluck Wasser?

SCHOPOWSKI
Nein, danke.

DR. SEMMERING
Glauben Sie wirklich, dass es derselbe war?

SCHOPOWSKI
Keine Ahnung.

DR. SEMMERING
Nehmen wir den nächsten Anrufer dran?

SCHOPOWSKI
Damit der eine Kuh abfackelt? Nein, für heute lassen wir es gut sein.

DR. SEMMERING
Ich danke auf jeden Fall für die Einladung. Ich habe viel Interessantes gehört heute. Außer vielleicht dieses Kind. Das war doch etwas merkwürdig.

SCHOPOWSKI
Ich wünsche Ihnen eine gute Heimfahrt, Herr Dr. Semmering, und Ihnen, liebe Zuhörer, ein schönes Wochenende. Bitte machen Sie nichts von alldem, das Sie gehört haben, zuhause nach. Am Mikrofon war wie immer Hardy Schopowski. Machen Sie’s gut.

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