Heimatgespräche | 02 | Ehrenamt im Breitensport

Aufnahmeskript

SCHOPOWSKI
Herzlich willkommen, liebe Hörerinnen und Hörer, zu einer neuen Ausgabe der “Heimatgespräche”. Mein Name ist Hardy Schopowski, und ich freue mich wieder auf Ihre Geschichten aus dem echten Leben. Unser Thema heute ist das Ehrenamt im Breitensport. Erzählen Sie uns von Ihrem Einsatz als Ehrenamtliche, von besonderen Begegnungen oder Erlebnissen.
Und da haben wir auch schon den ersten Hörer. Einen schönen guten Morgen.

FLUSER
Bin ich da jetzt schon dran? Kann ich jetzt meine Meinung sagen? Hallo? Halloo!

SCHOPOWSKI
Ja sie sind dran, wie heißen Sie und woher kommen Sie?

FLUSER
Fluser. Walmendingen. Mir hat der Bezirkssportverband geschrieben …

SCHOPOWSKI
Walmendingen! Was für eine schöne Gegend! Ich erinnere mich an einen herrlichen Wanderweg um die alte Mühle, wenn der Morgennebel aus dem Tal aufsteigt und …

FLUSER
Das ist jetzt Gewerbegebiet.

SCHOPOWSKI
Wie schade. Ich hatte eine Hörerin, die da täglich mit ihrem Hund spazieren gegangen ist. Die war schon über achtzig und konnte sich nicht mehr bücken …

FLUSER
Ich spreche jetzt. Hören Sie zu.

SCHOPOWSKI
Ja bitte. Ich merke schon, es drängt Sie. Ich hatte mal einen Hörer …

FLUSER
Es geht um unseren Fußball. Ich bin Übungsleiter für die Jugend. Ehrenamt natürlich.

SCHOPOWSKI
Fußball! Das ist doch, was uns alle verbindet.

FLUSER
Hat mir jetzt der Bezirkssportverband geschrieben, warten Sie, ich les Ihnen vor: “… entbinden wir Sie von Ihrem Ehrenamt als Übungsleiter im Bereich Jugendfußball, da Ihr Umgang mit den Kindern und Jugendlichen mehr als fragwürdig ist und Ihre Übungsleitung nicht mehr den Anforderungen des Verbands und unserer Zeit entsprechen.” Die spinnen doch!

SCHOPOWSKI
Wie ist das denn gemeint? Kann das vielleicht ein Missverständnis sein? Der Verband bekommt ja oft gar nicht so mit, was die Ehrenamtlichen Tag für Tag auf dem Platz leisten.

FLUSER
Das ist nicht nur der Verband. Ich weiß schon, woher das kommt. Zusammengerottet haben sie sich, diese Jammerlappen von Eltern, die gleich immer das Zittern kriegen, wenn ich ihren verwöhnten Schrazen Beine mach. Das sollten Sie mal sehen, wie die schon beim Training daherkommen: “Wie reden Sie denn mit meinem Kevin!” Gute Frau, sag ich da, wenn der Krüppel nicht zwei linke Füß hätt, dann bräucht ich weniger schreien. Mir macht das auch keinen Spaß, dass der nix kann. Oder kommt die andere: Der Klaus-Henri darf bitte keine Kopfbälle mehr machen, weil jetzt nachgewiesen wär, dass das schlecht für’s Hirn ist. Bei so einem Schmarrn stellt’s mir doch die Zehennägel auf. Fußball ohne Kopfball, da können wir gleich Halma spielen. Und dann, als ob der Klaus-Henri, dieses verhungerte Krischperl, überhaupt ein Hirn hätt! Dem schmeiß ich die Bälle an den Kopf, bis er schielt. Der wird bei mir einen Kopfball lernen wie früher der Hrubesch, darauf können Sie einen lassen.

SCHOPOWSKI
Ho, Sie sind ein Schleifer, das hör ich schon. Das hat natürlich auch eine große Tradition, denken Sie nur an den Magath.

FLUSER
Wenn die Hosenscheißer zu mir kommen, was lernen die als Erstes? Dass ich der Boss bin. Wenn ich sag: Du Zwerg stehst heut das ganze Training auf einem Bein, dann kann er sich den andern Hax von mir aus abhacken, aber vor sieben Uhr will ich den nicht mehr sehen. So, und nur so, lernen die eine Disziplin.

SCHOPOWSKI
Disziplin, das ist wichtig, klar, aber bei der Jugend geht es bestimmt auch um die Freude am Spiel, oder?

FLUSER
Ah, was. Eine Freude können die zuhause haben. Bei mir sollen die das Fußballspielen lernen. Aber wer da meint nicht mitziehen zu müssen, der kann auch gleich fünfzig Klappmesser machen. Da kommt dann schon eine Freude auf.

SCHOPOWSKI
Das erinnert mich an meine Zeit als Rechtsaußen. Das war schon eine Qual, aber es hat uns auch zusammengeschweißt. Dann hieß es aber irgendwann, die Klappmesser sollen schlecht für die Wirbelsäule sein.

FLUSER
Schlecht für die Wirbel! Ha! Einen größern Quatsch hab ich in meinem Leben noch nicht gehört. Die Wirbel von den Kröten muss man erstmal geschmeidig machen. Und eine geschmeidige Wirbelsäule macht mir die Klappmesser nur so zack, zack, zack.
Ich kann den ganzen Schwachsinn, den die vom Verband schreiben, den kann ich alles widerlegen. Wer bei mir aus dem Training kommt, ist pumperlgesund, vom Wirbel bis zum Zeh.

SCHOPOWSKI
Ganz der Magath. Aber die Schleifer haben heute leider einen schweren Stand beim Verband.

FLUSER
Weil die total verweichlicht sind in ihren Büros. Den ganzen Tag vorm Computer, da springt der Wirbel freilich schon raus, wenn er nur von einem Klappmesser hört. Und bei der Saubande, die zu mir ins Training kommt, ist es genauso. Die haben doch heute alle keine Bewegung mehr. In der Schule nix wie sitzen und am Nachmittag vor der Konsole verwesen. Aber ich zeig ihnen schon was heißt die Gräten in Bewegung setzen. Wir fangen das Training an mit zwanzig Steigerungsläufen, aber diagonal. Da kommen die Augäpfel aus den Höhlen, das kann ich Ihnen sagen, so groß wie Tennisbälle. Und wenn mir einer umfällt, dafür hab ich ein Eimer Wasser draußen, dann wecken wir ihn schon wieder auf.

SCHOPOWSKI
Ich verstehe schon, dass die Einstellung stimmen muss, aber …

FLUSER
Sagen Sie das mal diesen Eltern. Wenn’s nach denen geht, dann sind wir eine Selbsterfahrungsgruppe und diskutieren den Sinn der Grätsche im Stuhlkreis. Aber so hat noch kein Fünfjähriger die internationale Härte gelernt. Wenn ich ihm aber von hinten einmal mit einer sauberen Grätsche in die Beine springe, dass er seine Knochen hinterm Vereinsheim wieder einsammeln kann, dann weiß er Bescheid.

SCHOPOWSKI
Das ist jetzt aber schon … wie soll ich sagen … natürlich müssen Kinder auch negative Erfahrungen machen dürfen, aber …

FLUSER
Und eine Kraft bring ich ihnen auch in die dürren Waden, den Hampelmännern. Da setz ich mich zum Beispiel ins Auto und zieh die Handbremse an, und jetzt dürfen die Scheißer das Auto am Seil über den Platz ziehen.

SCHOPOWSKI
Ist das nicht zu schwer für Kinder? Ich bitte Sie …

FLUSER
Woher, so haben sie doch diese Püramiden damals auch gebaut. Stahlharte Muskeln und eine Bereitschaft zum Leiden. Wissen Sie, was die Steine gewogen haben? Na, ich weiß auch nicht, aber die waren schon verdammt schwer.

SCHOPOWSKI
Die wurden doch von Sklaven gezogen.

FLUSER
Aber die sind fit gewesen. Und was ist der Mensch denn heut anders wie ein Sklave? Es sagt doch heut der Computer, was einer tun und lassen darf. Wir sind doch alle nur noch Arschkriecher vom Computer. Und dann will mir auch der Verband noch immer vorschreiben, wie ich trainieren soll. Aber die können mich am Arsch lecken. Ich hab meine Methoden, und die sind seit Jahrzehnten unverändert.

SCHOPOWSKI
Was erwarten die denn von Ihnen? Vielleicht können Sie dem Verband ein bisschen entgegenkommen? Ich glaube das Spiel ist heute doch einfach mehr auf den Ball orientiert.

FLUSER
Zum Beispiel haben sie mir schon letztes Jahr den ‘Entengang’ verbieten wollen. Immer weil sich so Schnösel von der Sportwissenschaft da einmischen, wie bei dem Kopfball. Die hab ich eh dick, die Krawatten. Plötzlich ist es für’s Knie schlecht, wenn’s sich zu sehr beugt. Hat man sowas schon gehört? Aber in meinem Training setz ich den Watschlern noch zusätzlich einen Kerl auf den Rücken, und mit dem müssen sie in der Hocke zweimal über den Platz, weil von nix kommt nix.

SCHOPOWSKI
Kinder spielen halt einfach gern mit dem Ball. Sie könnten ja …

FLUSER
Natürlich, aber so einen Firlefanz treib ich denen schon aus. Bis so ein Wicht zehn Jahre ist, sieht der bei mir im Training keinen Ball. Schau dich doch an, sag ich ihm gleich wenn er zum ersten Mal kommt, keine Kraft, keine Ausdauer, keine Härte. Wie will denn ein solches Würstchen wie du ein Spiel überleben, sag mir das. Ein Fußballspiel, das ist doch kein Puppentheater, das ist ein Krieg.

SCHOPOWSKI
Vielen Dank für diese Einblicke, aber kommen wir doch noch einmal zurück auf den wunderbaren Wanderweg um die alte Mühle.

FLUSER
Und jeder Zweikampf ist eine Schlacht. Da steht ein Feind auf dem Platz, der euch bis zum letzten Blutstropfen bekämpfen wird, und erst wenn der am Boden liegt und ihr seine Knochen zu Brei zerstampft habt, dann ist der Krieg gewonnen.

SCHOPOWSKI
Ich sehe Sie bringen da eine große Leidenschaft mit – aber Krieg? Das geht doch zu weit.

FLUSER
Vom Krieg haben diese Pudernasen natürlich keine Ahnung. Und nur vom Reden geht das bei denen auch nicht ins Hirn. Drum zeig ich ihnen Videos von Einsätzen damals im Irak, wie die Amis da rein sind, da können die Knilche was lernen. So, sag ich, muss man in das Dorf reingehn, wo wir am Sonntag spielen.

SCHOPOWSKI
Wir sprechen jetzt schon wirklich lange über Ihr Training. Unsere Hörer interessieren sich bestimmt auch für den Menschen hinter dem Trainer. Was … was machen Sie denn beruflich?

FLUSER
War bei der Truppe. Ausbilder außer Dienst. Zur Zeit arbeitslos.

SCHOPOWSKI
Oh, das tut mir Leid. Wie lange schon? Dann ist das gerade sicher eine schwere Zeit für Sie.

FLUSER
Papperlapapp. Es geht hier nicht um mich. Die Rekruten – ich meine die Kinder – müssen lernen worauf es ankommt. Sonst kommt die erste Kugel geflogen – ich meine der erste Ball – und weg ist die Fresse. Wissen Sie, was das Wichtigste ist?

SCHOPOWSKI
Der Spaß am Spiel?

FLUSER
Ein Junge muss einstecken können. Mein Vater hat mir jeden Tag eine runtergehauen. Nicht, weil ich was ausgefressen hab, sondern einfach so. Damit ich hart werd, hat er gesagt. Damit ich die Schläge, die mir das Leben verabreichen wird, aushalten lern. Und ich hab’s gelernt. Und heut lernen es die Buben von mir. Ich lass sie alle auf den Rasen legen, und dann lauf ich mit den zwanziger Stollen über die Kakerlaken drüber. Aber wehe ich hör einen Ton. Der Jammerer macht mir sofort vierzig Liegestütz. Und wenn er dabei wieder jammert, achtzig.

SCHOPOWSKI
Darf ich fragen, warum Sie nicht mehr bei der Truppe sind? Hat Ihr Ausscheiden auch mit Ihren Methoden zu tun gehabt?

FLUSER
Nein. Sicher, ich war gefürchtet – aber gerecht. Und so muss es auch sein. Wir hatten einen kleinen Vorfall im Gelände. Aber woher hätt ich wissen sollen, dass einer in dem Alter nicht schwimmen kann. Die Eltern von dem Jungen haben da ein riesen Fass aufgemacht. Saß wahrscheinlich auch immer nur vorm Bildschirm, der Kerl. So einer hat doch bei der Truppe gar nix verloren. Dabei war das eine Strecke, die hätt meine Oma geschafft. Höchstens fünfzig Meter. Klar, unterm Eis durch, kleine Herausforderung muss schon sein, und es war schon Nacht – geschenkt. Jedenfalls hab ich ihn beim einen Loch reingeschmissen, und beim andern hab ich gewartet. Und dann mussten wir halt zurück in die Kaserne, weil es hatte fünfzehn Grad unter Null in der Nacht und der Mannschaft wurde kalt.

SCHOPOWSKI
Moment. Verstehe ich Sie richtig, dass Sie einen Rekruten auf dem Gewissen haben?

FLUSER
Was soll ich sagen, der See hat ihn behalten.
Bin dann entlassen worden. Aber nicht unehrenhaft! Gott bewahre.

SCHOPOWSKI
Das heißt sie wurden aus der Truppe entlassen, weil unter Ihnen Soldaten verschwunden sind.
Sind Sie jetzt ein Mörder? Es ging doch um Breitensport. Sie machen mir Angst. Was haben Sie denn jetzt vor?

FLUSER
Ich hatte gestern ein Vorstellungsgespräch. Landesschule für Körperbehinderte. Suchen dringend Sportlehrer. Sieht gut aus für mich. Als Ausbilder war ich quasi auch Lehrer. Hohe Schule des Überlebens, wenn Sie verstehn was ich meine. Runter!

SCHOPOWSKI
Was?

FLUSER
Hab ich zu den Rekruten geschrien. Runter! Achtung, Sperrfeuer! Nächste Bodenwelle suchen und liegen bleiben. Du da, Gichtiger, Kopf zu weit draußen, fünfzig Liegestütz! Denen hat das Arschwasser gekocht, das kann ich Ihnen sagen.

SCHOPOWSKI
Die Behinderten Kinder können Sie aber doch nicht so anschreien. Besonders die Epileptiker, die bekommen doch auf der Stelle einen Anfall.

FLUSER
Ha ha, zwei Wochen bei mir, und die melden sich für Olympia.

SCHOPOWSKI
Herr Fluser, es müssen doch wirklich keine Kinder sein. Im Namen aller Eltern möchte ich Sie bitten, sich das noch einmal zu überlegen.

FLUSER
Letzte Woche hatte mich auch das Deutsche Flüchtlingswerk angefragt. Die Suchen dringend Betreuer für Kinder und Jugendgruppen.

SCHOPOWSKI
Schon wieder.

FLUSER
Aber da hab ich gleich abgelehnt. Mit den Ausländern möcht ich wirklich nichts zu tun haben. Da kann man sich nur anstecken. Da unten in Afrika, da haben sie alle möglichen Krankheiten.

SCHOPOWSKI
Das können Sie doch aber so nicht …

FLUSER
Und Deutsch verstehn sie auch keins. Wenn ich da brüll “Stillgestanden” oder “Rechts schaut”, dann weiß doch der Afro gar nicht, was er machen soll.

SCHOPOWSKI
Sie sollen doch denen bestimmt nur helfen zu verstehen, was sie hier erwartet.

FLUSER
Die erwartet hier gar nichts. Wo kommen die überhaupt alle her? Da heißt es immer: aus dem Krisengebiet. Herrje, nur zwei Wochen wenn ich die auf dem Übungsplatz hätt. Eine Woche nur. Was meinen Sie wie schnell die freiwillig zurückschwimmen würden in ihr ‘Krisengebiet’.

SCHOPOWSKI
Ich denke wir sollten jetzt zum Ende kommen und noch andere Hörer …

FLUSER
Apropos Schwimmen. Jetzt will das Jobcenter, dass ich zur Schwimmhalle gehe, da suchen sie einen Aushilfsbademeister, der mit den Kindern für das Seepferdchen Tauchen übt.

SCHOPOWSKI
Vergessen Sie doch bitte alles was mit Kindern zu tun hat! Wollen Sie zum Massenmörder werden? Bitte suchen Sie nach etwas, bei dem Sie keinerlei Kontakt zu Kindern haben. Am besten keine Menschen. Menschen sind einfach nichts für Sie, Herr Fluser. Machen Sie doch besser etwas mit Sachen. Vielleicht mit Rohren. Oder etwas mit Beton.

FLUSER
Ein Brett müsste eigentlich reichen. Nur ein paar Meter lang.

SCHOPOWSKI
Was für ein Brett? Wofür brauchen Sie ein Brett?

FLUSER
Damit sie nicht gleich wieder auftauchen können. Das Wichtigste beim Tauchen ist unten zu bleiben, auch wenn man eigentlich hoch will.

SCHOPOWSKI
Das ist keine gute Idee. Keine gute Idee.

FLUSER
Darf ich noch jemanden grüßen.

SCHOPOWSKI
Sicher. Grüßen. Aber hören Sie. Das mit dem Brett …

FLUSER
Ich grüße meine Kameraden, die Reichsdeutschen in Neuschwabenland. Heil!

! Er legt auf

! Musik setzt ein.

SCHOPOWSKI
Regie?

REGIE
Hardy?

SCHOPOWSKI
Ich möchte einmal erleben, dass hier ein normaler Mensch anruft. Das ist eine Heimatsendung, verdammte Kacke. Gibt’s denn nur Verrückte in diesem Land?

REGIE
Du bist noch auf Sendung.

SCHOPOWSKI
Oh. Meine verehrten Hörerinnen und Hörer. Nichts für ungut. Selbstverständlich sind Sie die wunderbarsten Menschen und das ist ein wunderbares Land. Lassen Sie uns jetzt noch einmal die Walmersdorfer Jodelbuben hören. Diesmal mit dem Titel: Wohin mein Herz, so weit weg von zuhaus?

! Musik

Subscribe To Our Newsletter

Subscribe to receive info on our latest news and episodes

[mc4wp_form id="22"]

Wann gibt's neue Sendungen?

Trag dich ein, dann lassen wir es dich wissen.

Wir senden keinen Spam! Erfahre mehr in unserer Datenschutzerklärung.

Cookie Consent mit Real Cookie Banner